Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 25.01.2018)
Das
Playoff-Viertelfinale der deutschen Hallenhockey-Meisterschaft zwischen dem Club
an der Alster Hamburg und dem Rüsselsheimer RK an diesem Samstag weckt einige
Erinnerungen an die glorreichen Zeiten des RRK-Damenteams. Der nationale und
europäische Rekord-Champion (9/15 Titel) meldet sich nach sieben Jahren
ausgerechnet dort unter den besten Acht zurück, wo vor zwölf Jahren die
Titelhatz endete. Und wo mit Britta Becker und Berti Rauth seit geraumer Zeit
zwei Persönlichkeiten bei Alster vor Anker gegangen sind, die maßgeblich am
Rüsselsheimer Höhenflug beteiligt waren.
Frau Becker,
Herr Rauth – ist ein Playoff-Viertelfinale zwischen Alster und dem RRK nach fast
20 beziehungsweise mehr als zehn Jahren in Hamburg für Sie noch etwas
Besonderes?
Becker: Ich
bin immer daran interessiert, Rüsselsheim spielen zu sehen. Mein Hockeyleben hat
dort begonnen, ich bin immer wieder gerne dort und freue mich darauf, einige
bekannte Gesichter wiederzusehen. Aber das ist nicht mehr mein Spiel, sondern
das von meiner Tochter Emily. Und deshalb werde ich sie anfeuern, wobei ich sie
am Samstag das erste Mal direkt gegen den RRK spielen sehe.
Rauth: Für
mich ist es deshalb etwas Besonderes, weil ich es toll finde, dass in
Rüsselsheim niemand in Lethargie verfällt und sich das Team trotz der vielen
Umbrüche mal wieder fürs Viertelfinale qualifizieren konnte. Vom Interesse her
ist das absolut hochwertig für mich, aber ich weiß noch gar nicht, ob ich
zuschauen kann. Parallel dazu spielen die Alster-B-Knaben, die ich betreue,
Hamburger Zwischenrunde.
Es schlagen also
offenbar weiterhin zwei Herzen in der Brust. Dürfen denn am Samstag auch
Rüsselsheimer Tore vorbehaltlos beklatscht werden?
Rauth:
Grundsätzlich sollte jeder eine tolle Aktion oder ein Tor beklatschen können.
Und ich kann durchaus zwischen Vereinspatriotismus und Leistung unterscheiden.
Dass es ausgerechnet gegen den RRK geht und ein K.o-Spiel ist, macht die
Situation für mich etwas bedrückend und ist ein Wermutstropfen. Viele der
Spielerinnen habe ich in jungen Jahren ja gefördert oder über die Schule zum
Leistungshockey gebracht.
Becker: Wenn
ein Tor aus einem schönen Spielzug resultiert, warum sollte man da nicht jubeln?
Aber natürlich bin ich für Alster, denn da spielt ja schließlich meine Tochter
mit.
ZU DEN PERSONEN
Britta Becker (44) hat 231 Länderspiele
bestritten, war Hallen-Weltmeisterin 2003 und Olympia-Zweite 1992. Die
gebürtige Rüsselsheimerin hat mit dem RRK neun DM-Titel und 13
Europacupsiege gefeiert. Die vierfache Mutter lebt seit anno 2000 in Hamburg
und war bis November 2017 viereinhalb Jahre lang als DHB-Vizepräsidentin
tätig.
Berti Rauth (59) verließ 2007 nach 28
Trainerjahren und 33 nationalen wie internationalen Meistertiteln den
Rüsselsheimer RK in Richtung Club an der Alster Hamburg, wo er seither die
Jugendarbeit verantwortet. Der gebürtige Flörsheimer fungierte zwischen 1995
und 2000 zusätzlich als Damen-Bundestrainer, war 1998 WM-Dritter. |
Anno 2006 endete
der RRK-Siegeszug in der Halle nach vier DM-Titeln und 13 Europacup-Triumphen
hintereinander durch ein 3:4 im Viertelfinale beim Club an der Alster. Welche
Erinnerungen haben Sie an dieses Spiel?
Rauth: Ich
weiß noch, dass Alster eine sehr gute Eckenabwehr hatte, aber oft zu früh
rauslaufen durfte. Ein Jahr später standen wir dann ja noch mal im Endspiel.
Becker: Ich
weiß nicht mehr, ob ich das Spiel damals miterlebt habe. Es kann sein, aber ich
kann mich nicht mehr erinnern.
Einige Hamburger
Vereine, allen voran Alster, haben sich in der Vergangenheit personeller Zugänge
aus Rüsselsheim erfreut. Müsste in so einer großen Stadt nicht genügend eigene
Qualität vorhanden sein?
Becker:
Hamburg bringt auch etliche Talente hervor, und bei den Vereinen arbeiten einige
namhafte Trainer. Aber bei mehreren Bundesligisten ist das eben auch ein
ziemlich umkämpfter Markt. Von daher ist es natürlich gut, dass Hamburg sehr
viel zu bieten hat, eine wunderschöne Stadt und für junge Menschen cool ist. Die
Leute kommen alle freiwillig hierher, einfach weil sie Lust auf Veränderung
haben.
Rauth: In
Rüsselsheim ist in der damaligen Zeit mehr aus dem Talent gemacht worden. In
Hamburg ist die Zahl der Talente zwar größer, aber die Ablenkungen auf dem Weg
zur Spitze auch. Der Fokus liegt deshalb in meinen Augen oft nicht
zielorientiert genug auf der Hockeyförderung. Die Leute sind früher satt, und
weil zudem die Möglichkeiten groß sind, sich beruflich im Ausland zu
orientieren, sind die Hamburger Klubs immer wieder auf Zuläufe aus dem Süden
angewiesen.
Frau Becker,
Ihre älteste Tochter Emily ist gerade 19 geworden und seit zwei Jahren
Alster-Stammkraft. Wie viel vom einstigen Talent und Können der Mutter erkennen
Sie in ihr?
Wir machen solche
Vergleiche eigentlich nicht. Mir persönlich fällt das jedenfalls ganz schwer,
auch wenn in meiner Tochter natürlich ganz viel von mir drin steckt. Zweifellos
ist sie sehr talentiert und kann einige Sachen schon richtig gut. Sie hat eine
sehr gute Technik, einen unfassbaren Willen und kann echt gut Schlenzen.
Und was sagen
Sie, Herr Rauth?
Emily ist vor allem
genauso ein Wettkampftyp wie ihre Mama und trägt ebenfalls dieses Siegergen in
sich. Dazu hat sie auch Brittas technische Fertigkeiten vererbt bekommen.
Alster gilt am
Samstag allenthalben als eindeutiger Favorit – auch für Sie?
Becker: Vom
Gefühl denkt man das, zumal die Begegnung ja Nord I gegen Süd II heißt. Aber das
Alster-Team wird den RRK ernst nehmen und auch die Hamburger wären gut beraten,
das nicht vorschnell als leicht einzustufen. In solchen Spielen entscheiden
nicht selten Nuancen. Ich denke, das wird ein heißes Tänzchen, wobei Alster
schon ein Superteam ist und zuletzt einen schönen Lauf hatte.
Rauth: Der
RRK verfügt zweifellos über eine gute erste Fünf und eine starke Torhüterin. Es
wird sich also über die Zeit entscheiden. Weil der Alster-Kader breiter
aufgestellt ist und auch die zweite Besetzung gehobenes Bundesliga-Niveau
aufweist, ist die Favoritenrolle auch für mich klar verteilt.