Ein Vorzeigeverein geht
am Stock
Der ruhmreiche
Rüsselsheimer RK kann finanziell nicht mithalten, muss immer mehr
Talente und nun auch Trainer ziehen lassen
Mann für die genialen
Momente: Weltklassestürmer Oliver Domke gehörte zu den sportlichen
Aushängeschildern des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK).
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Von Martin Krieger (aus
"Main-Spitze" vom 19. März 2014)
Es war einmal ein Ruderklub
in einer Arbeiterstadt am hessischen Untermain. Dessen
Hockeyspielerinnen und -spieler sammelten trotz vergleichsweise
bescheidener finanzieller Mittel, aber mit viel Herzblut, Ehrgeiz,
akribischer Arbeit und insbesondere dank beharrlicher Talentförderung
derart viele nationale wie internationale Titel, dass dies die reichsten
und entsprechend selbstbewussten Großstadtvereine hierzulande vor Neid
erblassen ließ.
33 Titel allein durch die Frauen
Die Rede ist vom
Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK), dessen Stern nach acht deutschen
Meisterschaften der Männer zwischen 1968 und 1979 mit Beginn der 90er
Jahre in einer noch nie da gewesenen und schwerlich zu kopierenden Weise
durch das sogenannte schwache Geschlecht ein zweites Mal aufging. 33
Titel – darunter alleine 15 Europapokal-Triumphe in der Halle sowie drei
unter freiem Himmel – machten den RRK zum weltweit erfolgreichsten
Vereinsteam aller Zeiten. Die 231-malige Nationalspielerin Britta Becker
(40), die seit einem knappen Jahr das Amt der Vizepräsidentin
Leistungssport beim Deutschen Hockey-Bund (DHB) bekleidet, war die erste
deutsche Hockeyspielerin, die auf professionelle Weise vermarktet wurde.
Doch die Erinnerungen an die
zahlreichen Feiertage, die die RRK-Männer um den herausragenden Torjäger
und Doppel-Weltmeister Oliver Domke (215 Länderspiele) als deutscher
Hallenmeister 2008 und Europacupsieger 2009 noch einmal belebten,
beginnen zu verblassen. Ließen sich die kontinuierlichen Abgänge
angehender oder bereits gestandener Nationalspielerinnen und -spieler
noch eine Weile kaschieren, sehen sich die Verantwortlichen in diesen
Tagen in einem Teufelskreis gefangen.
Umfangreiche Sparmaßnahmen
War die Sponsorensuche
selbst in besten sportlichen Zeiten alles andere als ein Selbstläufer,
ist die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben zunehmend größer geworden,
hat zu drastischen Beitragserhöhungen und umfangreichen Sparmaßnahmen
geführt. Nicht zuletzt auch aufgrund der zwischenzeitlich ausgesetzten
und mit einem Jahresbetrag im mittleren vierstelligen Bereich eher
zaghaft wieder angelaufenen Unterstützung durch den örtlichen
Automobilbauer sowie extrem klammer Stadtkassen.
"Natürlich hängt eine
erfolgreiche Sponsorensuche auch mit den sportlichen Erfolgen zusammen.
Aber Hockey bleibt nun mal eine Randsportart. Daran wird sich in 100
Jahren nichts ändern. Großstadtklubs haben ein ganz anderes Klientel als
Provinzvereine. Da sind völlig andere soziale Schichten unterwegs", sagt
Martin Müller, der als Bundesliga-Vorstand dem erweiterten DHB-Vorstand
angehört. Seit 1999 leitet der 65 Jahre alte langjährige Rüsselsheimer
Bundesligaspieler und achtmalige Deutsche Meister die RRK-Hockeysparte.
Und weiß ganz genau, dass es sportlich so mau aussieht, wie seit
Urzeiten nicht mehr. Die Männer sind im Freien binnen zwölf Monaten aus
der ersten in die dritte Liga abgestiegen und liegen – nach dem
unglücklich verpassten Wiederaufstieg 2013 – aktuell in der Regionalliga
Süd mit sechs Punkten Rückstand auf den Tabellenführer auf dem fünften
Rang. In der Halle, wo sich die massiven personellen Schwächungen
aufgrund der deutlich kleineren Teams weniger bemerkbar machen, ist man
immerhin noch zweitklassig unterwegs. Die notgedrungen sukzessive jünger
gewordenen Damen gehören zwar weiterhin der Eliteliga an. Doch
Tabellenvorletzter, wie im Endklassement der Hallen-Bundesligasaison
2013/14, war der RRK seit seinem Aufstieg 1987 noch nie.
Nicht genug damit, dass alle
Jahre wieder im Verein aufgebaute, hoffnungsvolle Talente zu finanziell
starken oder top vernetzten Klubs abwandern, ist der Rüsselsheimer RK
offenbar auch für Übungsleiter keine Dauerlösung mehr. Die Männer
mussten zwischen 2010 und 2013 vier Mal auf Trainersuche gehen, wobei
die letzte seit nun acht Monaten ohne Erfolg blieb. Und als dann Ende
Dezember auch noch Damencoach Florian Westermann seine Rückkehr nach
Hannover nach 17 Monaten verkündete, war der Frust bei Müller
riesengroß: "Damit wiederholt sich die Geschichte. Der RRK baut einen
vielversprechenden jungen Trainer auf, um ihn dann an einen
finanzstärkeren Verein zu verlieren. Die weitere Zukunft für RRK-Hockey
ist unklar." Keine Frage – der einstige Vorzeigeklub geht am Stock.
Trainer mit Herzblut gesucht
Da Westermann Ende des
Monats beim Bundesliga-Wochenende in Hamburg seinen Ausstand gibt und im
April lediglich noch fünf weitere Partien folgen, spricht wenig dafür,
dass noch schnell ein neuer Damen-Trainer anheuert. Potenzielle
Kandidaten müssen nicht nur bereit sein, auf Honorarbasis zu arbeiten,
sondern sollten vor allem ganz viel Herzblut mitbringen und möglichst
ein bisschen hockeyverrückt sein. So wie Berti Rauth. Der "Vater" des
Rüsselsheimer Frauenwunders und nimmermüde Talentschmied hatte sich nach
einem tränenreichen Abschied 2007 dem Club an Alster Hamburg
angeschlossen, einem der begüteteren Vereine hierzulande, dessen
Nachwuchsarbeit aber weitgehend brachlag. Im vergangenen Oktober feierte
Rauth mit den A-Mädchen aus der Hansestadt seine erste deutsche
Meisterschaft ... |